Wer ist Johanna?

Es gibt eine häufige Gemeinsamkeit in den „About“-Texten von Autorinnen und Autoren: Die meisten wollten schon immer schreiben.

Ich nicht.

In meinen letzten Teen-Jahren (Ende der 90ger) hatte ich Gedichte, Kurzgeschichten und meinen ersten Kurzroman fertig und kam noch immer nicht auf die Idee, dass »Schreiben« irgendwie eine tragende Rolle haben könnte, um nicht zu sagen: mein Leben wie nichts anderes prägen würde.
Zu dieser Zeit, kurz vorm Abitur, war ich völlig in der »Mappenvorbereitung«, um mich für die Frankfurter Städelschule, bzw. die HfG in Offenbach, zu bewerben. Aber dann folgten lange Auslandsaufenthalte und als ich zurückkehrte, hatte das Schreiben die Bildarbeit verdrängt und ich entschied mich für ein Germanistik-Studium an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt, in der völlig absurden Annahme, dort irgendetwas über das Schreiben zu lernen.

Das ist jetzt schon eine Weile her und inzwischen ist »Creative Writing« kein Schimpfwort mehr, aber damals taugte ein Germanistik-Studium nur dazu, einem die Liebe zur Literatur und die Ambition zum Schreiben gehörig auszutreiben.

Ich erinnere mich noch an ein Seminar mit einer berüchtigt-strengen Professorin, in der wir Rilke-Gedichte diskutierten. Die Professorin legte uns eine erstaunlich subjektive Interpretation vor, die ich als völlig abwegig und anmaßend empfand. Auf die Frage, ob man diese Auslegung irgendwie durch überlieferte Äußerungen des Autors, seiner Freunde, schriftliche Aufzeichnungen oder auch nur offensichtliche Lebensumstände belegen könnte, tadelte sie mich und erklärte mir, sie sei hier die Professorin und Belletristik zu interpretieren wäre nun mal ihre Kernaufgabe. Das war der Moment, in dem ich erkannte: Ich sitze im völlig falschen Zug. Ein Zug, der mich nach Nirgendwo bringt.

Der deutsche (Jugendbuch-)Autor Nils Mohl hat mal gesagt, dass man ungefähr zehn Jahre braucht, bis man wirklich schreiben kann. Das möchte ich nachdrücklich bestätigen. Nur weil man schreiben kann, kann man nicht »schreiben«. Fünfhundert Seiten waren meine Aufwärmphase, bis ich bei der Erkenntnis angelangt war, keine Ahnung vom belletristischen Schreiben zu haben (nach einem 1-Komma-Abi, 14 Punkte in Deutsch, bei einem Lehrer, der fast nie über 12 gab und bei dem 15 Punkte völlig ausgeschlossen waren, und einem Germanistik-Studium mit durchaus vorhandenen Highlights).

Das ist jetzt über zwanzig Jahre her. Seitdem liegen unzählige Seminare mit großartigen Dozenten hinter mir, darunter Burkhard Spinnen, Feridun Zaimoglu, Franziska Gerstenberg, Harald Martenstein, Markus Orths, Martin Hielscher und viele, viele weitere.

Schreibseminare mit eigener Textarbeit und Teilnehmerkritik sind mit Sicherheit die härteste Schule, durch die man gehen kann, um das zu lernen, was man »Handwerk« nennt – das How-to von Inquit-Formeln bis umgekehrte Guillemets, von Perspektive bis Register, von Heldenreise bis »in medias res« –, denn belletristisches Schreiben ist in der Tat ein Handwerk, das nicht weniger Kunstfertigkeit, Talent und Besessenheit (Getriebenheit) fordert, wie die Musenschwestern Bildhauerei, Malerei und Musik.

Und, last but not least, liegen tausende von geschriebenen Seiten hinter mir. Tausende. Aber es wird niemals eine Seite geben, auf der es nichts zu verbessern gibt, auf der nicht ein Wort noch besser, noch präziser sein könnte, ein Satz klarer, ein Absatz stringenter. Weil wir alle, in unserem Handwerk, jeden Tag besser werden.