»The Village deep down«

Klappentext

WIE ENTKOMMT MAN EINER ILLUSION, DIE SICH WIE WIRKLICHKEIT ANFÜHLT?

Das Dorf, das so idyllisch scheint, ist der letzte Zufluchtsort nach der Apokalypse. Es liegt verborgen in einem fruchtbaren Tal, umgeben von steilen Felswänden. Die Regeln des Rates sind streng und mannigfaltig. Sie machen die einen zu Herren und die anderen zu Knechten. Dort lebt Trish, der Bella liebt. Aber Bella wurde zur rechtlosen Magd bestimmt und ist damit unerreichbar geworden. Bella, für Trish der einzige Grund, nicht ein letztes Mal die Flucht zu wagen, über die Felsen in eine vermeintlich zerstörte Welt, denn diesmal würde der Wunsch nach Freiheit Leben kosten.

THE VILLAGE DEEP DOWN
zeigt zwei entgegengesetzte Wirklichkeiten: das Dorf und die Welt jenseits der Felsen. Zwischen ihnen liegen vermeintlich Jahrhunderte. Ein ungleicher Kampf beginnt, in dem es nur einen Gewinner geben kann – wäre da nicht eine Macht, die in der finalen Schlacht über Sieg und Niederlage entscheidet.

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Ideenfindung

Der Ideenkern zu »The Village deep down« ist schon alt. Er ist vor allem von einem Film und drei belletristischen Quellen gespeist und inspiriert:

Erstens Stephen Kings »The Tommyknockers« (deutsch: »Das Monstrum«) (1987). Darin geht ein Mann mit seinem Hund im Wald spazieren und stolpert über etwas. Es ist keine Baumwurzel, sondern ein Stück Metall. Er fährt mit dem Finger daran entlang. So beginnt es und endet Monate später in einem enormen Fund – »enorm« in Sinne von Größe und Umfang. Ich will nicht spoilern und das muss ich auch nicht, denn das war, was mich sofort packte: Der Zufallsfund, der sich zu einer lebensverändernden und völlig unglaublichen Entdeckung entwickelt. Im Roman von Stephen King als physische Masse, in meiner Idee auch als erschütternde Erkenntnis über die Beschaffenheit der Realität.

Zweitens Stefan aus dem Siepens Roman »Das Seil« (2012). Von der Thematik ganz anders als »Tommyknockers« und doch hat es etwas mit einem Fund zu tun, der alles verändert. Der Einfachheit halber zitiere ich einen Auszug aus dem Klappentext: »Einer der Bauern findet auf einer Wiese am Dorfrand ein Seil. Er geht ihm nach, ein Stück in den Wald hinein, kann jedoch sein Ende nicht finden. Neugier verbreitet sich im Dorf, ein Dutzend Männer beschließt, in den Wald aufzubrechen, um das Rätsel des Seils zu lösen. Ihre Wanderung verwandelt sich in ein ebenso gefährliches wie bizarres Abenteuer: Das Ende des Seils kommt nicht in Sicht – die Existenz des Dorfes steht auf dem Spiel.« (Quelle: Amazon) Anders als bei King ist es kein Science-Fiction-Element, sondern etwas Surreales: ein Seil, das nicht endet. Etwas das es nicht gibt und das es nicht geben darf. Wer hat es erschaffen und zu welchem Zweck?

Drittens Thomas Willmanns Roman »Das finstere Tal« (2011), den ich für einen außergewöhnlichen und meisterhaften Text halte. Als Hörbuch gelesen von Matthias Brandt ist er ein akustisches Kunstwerk. Jenes finstere Tal ist nur schwer zu erreichen, die Bewohner versorgen sich selbst und haben keine Beziehungen nach außen. Sie sind eine eingeschworene Gemeinschaft mit eigenen Regeln.

Und last, but not least der Film, dessen Titel inzwischen zu einem Bonmot geworden ist: »The Truman Show« (1998), bei dem Peter Weir Regie führte und Jim Carrey als »Truman Burbank« die Hauptrolle spielte. Alles ist anders, als man denkt. Nichts ist, wie es scheint.

Diese vier oben genannten Einflüsse haben sich erstmals in der fünfseitigen Kurzgeschichte »Unterm Dorf« niedergeschlagen, die ich 2016 für ein Schreibseminar mit dem wundervollen Burkhard Spinnen geschrieben habe. Die Short Story war zu kurz, die maximal fünf Normseiten reichten nicht aus, um die erschütternde Erkenntnis zu transportieren. Wenn ich mich recht erinnere, hat es nur eine Teilnehmerin mit Sicherheit richtig verstanden und ein Drittel hatte die Vermutung, war sich aber unsicher. Der Mehrheit hat sich das Ende nicht erschlossen – was natürlich nur mir anzulasten ist.

Ich erinnere mich noch an Burkhard Spinnens Bemerkung: »Für Medienkritik bin ich immer zu haben, aber dieser Text hier, der braucht sichtlich mehr Raum.«
– Well, dear Burkhard, how about 800 pages?

Wer Lust hat, die im Grunde nicht ganz ernstgemeinte Kurzgeschichte zu lesen, kann das hier tun. Einfach diesem Link zu Patreon folgen.

Ich habe das Ende nicht ausgebessert. Es ist noch genau wie damals. Die Ausbesserung bestand darin, die Kurzgeschichte zu einem Roman zu machen. Und so wurde die humorvolle Kurzgeschichte »Unterm Dorf« fast zehn Jahre später zum bitterernsten Roman »The Village deep down«.

Die Prämisse (Täuschung und Illusion) und die Kulisse (abgeschiedenes Tal) sind gleichgeblieben, alles andere hat sich verändert … Wobei, das stimmt nicht. Der Anfang ist gleichgeblieben: Ein Mann, der auf einen Hang steht und auf das Dorf im Tal hinabblickt. Und es gibt nach wie vor eine Instanz im Dorf, welche die Wahrheit kennt und auch der »Esel-Seppi« hat sich in den Roman hinübergerettet, auch wenn er nun »Bastian« heißt und keinen Esel mehr hat.

Entstehung

Seit jenem Schreibseminar im Jahr 2016 tauchte die Geschichte über das Dorf im Tal immer wieder in meinen Gedanken auf. Ich drehte und wendete sie, hielt sie ins Licht, fand sie funkelnd, spannend und interessant, wollte weiter an ihr arbeiten, einen Roman daraus machen, aber mir fehlte ein wesentliches Element: Das, was jenseits des Tals liegt. Das »Innen« des Tals konnte nicht ohne das »Außen« existieren. Es waren zwei Seiten derselben Münze, die einander bedingten. Nur, mich interessierte das Außen noch nicht. Es war leer und ohne Gestalt.

Und dann, Ende Juli 2021 – ich steckte mitten in der Veröffentlichung von »Als wir verschwanden« (11. August 2021) –, waren sie da: die beiden Hauptdarsteller. Ein Mann und eine Frau aus der Welt jenseits des Tals. Sie waren in ihrer komplexen Widersprüchlichkeit weit faszinierender als die Tal-Protagonisten. Erst durch diese beiden wurde die Geschichte vollständig – und damit entwickelbar.

Ab diesem Augenblick war es ein Diktat »von oben«. Ich wusste gar nichts über den Verlauf, die Story-Points, das Ende. Hier und da hatte ich eine vage Vorstellung – aber alles entwickelte sich in den kommenden zwei Jahren völlig anders. Und genau so muss es sein: Die Helden gehen ihren Weg, zeigen mir ihre Geschichte. So schreibe ich: Alles am Reißbrett wird hinfällig, wirkt am Ende fast lächerlich. Meine Geschichten brauchen die Freiheit, sich selbst zu erschaffen. Ich bin nur Empfängerin, Zuhörerin und ein bisschen Redakteurin, die auswählt, was erzählt und was verschwiegen wird.

Am 17. Juni 2023 konnte ich das magische Wort »ENDE« unter den belletristischen Teil des Romans schreiben, was bedeutet, dass nur 689 Tage zwischen Anfang und Ende liegen – 1 Jahr, 10 Monate und 20 Tage. Ein bemerkenswertes Novum für mich. Von Mitte Juli 2023 bis November 2023 arbeitete ich an den hundert Seiten Epilog – mehr dazu weiter oben unter »Worum es für mich geht«.

Erster Schritt der Nachbearbeitung war eine vollständige Zeitlinie zu erstellen, die Fehler und Ungenauigkeiten im Text beheben würde. Ein unglaublich aufwendiger Prozess, der mich viele Wochen kostete. Das Ergebnis ist eine Excel-Liste mit 269 Zeilen, die in DIN A3 Querformat dreizehn Seiten ergibt. Ich kann auch mit einer Längenangabe dienen: der Ausdruck ist 3,83 Meter lang. Man kann sie sogar im „Insider“-Bereich ansehen.
Sidenote: Der „Insider“-Bereich ist ein exklusiver Bereich für die Leserinnen und Lesern des Romans, in dem es den Anhang zum Download gibt, Kurzgeschichten aus der Romanwelt und einiges Mehr.

Dann folgten zwanzig Seiten Glossar, das nicht nur Begriffe und Worte erklärt, sondern auch Anekdoten und Hintergrundinformationen liefert – Mikro-Geschichten über die erschaffene Welt. Ab dann wurde es nicht leichter, sondern aufwendiger, denn das »Kuriositätenkabinett« des Vorworts wollte gefüllt werden. Auch das kostete mich wochenlange Arbeit. Siehe auch dazu »Worum es für mich geht«.

Letzter Schritt vor der finalen Überarbeitung des gesamten Manuskripts war, die 142 Fußnoten zu bereinigen und glattzuziehen. Fußnoten, die in ihrer digitalen Variante im „Insider“-Bereich weiterführende Informationen, Auszüge und Links enthalten und dem wissenschaftlichen Zitierstandard entsprechen.

Ende Februar erfolgte durch Rechtsanwalt Marco Grünler (gruenlaw.de) die Titelprüfung und der bisheriger Arbeitstitel »The Village │ Das Dorf« musste sicherheitshalber unterscheidungskräftiger werden. Im Grunde hätte ich ihn verwenden können, mit einem gewissen Risiko, weil »The Village« zu wenig unterscheidungskräftig ist (im Gegensatz zu beispielsweise »Winnetou«), allerdings gibt es einen Oscar-nominierten Film, der im Deutschen exakt diesen Titel trägt: »The Village – Das Dorf« (2004), Regie: M. Night Shyamalan, Hauptdarsteller: Joaquin Phoenix. Dazu eine kleine Anekdote: Meine liebe Autorenkollegin Gina Grimpo, die sich als Betaleserin zur Verfügung stellte, wies mich bereits im August 2023 auf diese Namensgleichheit hin.
Ein Film mit Joaquin Phoenix, den ich nicht kenne?! Unmöglich! Ich recherchierte umgehend den Titel: Tatsächlich wortgleich mit meinem bis auf Pipe vs. Streckenstrich. Was ist das für ein Film? *Klick*, *Klick* OMG! Ich kenne diesen Film! … Ich habe diesen Film! – nur hatte ich ihn völlig vergessen. Warum? Weil ich ihn so langweilig fand, dass ich dabei eingeschlafen bin. Ich schlafe so gut wie nie bei Filmen ein. Zuverlässig passiert mir das bei » 2001: Odyssee im Weltraum«, »Casablanca« und »Citizen Kane« – von den drei genannten kenne ich trotz mehrfacher Versuche nur den Anfang. Auch das Ende von Shyamalans »The Village« habe ich nie nachgeholt, allerdings habe ich es mir auf Wikipedia durchgelesen und ich glaube Gina, wenn sie sagt, dass es sehr gelungen und echt spannend ist.

Keine Sorge: Inhaltlich haben die beiden »Villages« nichts miteinander gemeinsam, außer dass die Kulisse ein Dorf ist und die vermeintliche Wirklichkeit eine Lüge. Aber Motive und Hintergründe sind so verschieden, wie sie nur verschieden sein können. Ich muss zugeben, dass ich eine ganze Weile brauchte, um mich mit der Veränderung abzufinden. Aber »The Village deep down« ist inzwischen auch gefühlt der weitaus bessere Titel, weil er nicht nur ein wörtliches Zitat aus dem Text ist, sondern gleich mehrere Bedeutungsebenen enthält: »Deep down« im Sinne räumlicher Tiefe, aber auch im Sinne von »Down the Rabbit Hole« – eine Wendung, die ursprünglich aus »Alice im Wunderland« stammt, aber auch in »The Matrix« aufgegriffen wird, durch »follow the white rabbit«. Sie meint, die Wirklichkeit in Frage zu stellen und auf einer Suche in den »Hasenbau« hinzusteigen, in dem nichts so ist, wie es einst schien.

Im Frühsommer 2023 durchlief der belletristische Teil die letzte Feinschliff-Überarbeitung, bevor er ins Korrektorat ging, das im Sommer 2024 erneut von meiner hochgeschätzten Lektorats-Kollegin Beate Weih übernommen wurde. Eine Arbeitsleistung, die man gut mit Zahlen veranschaulichen kann: Wir sprechen hier von einem Dokument mit 804 Seiten, 216.844 Wörtern, und 1.411.379 Zeichen (mit Leerzeichen). Der Vollständigkeit halber auch der Rest der harten Statistik: 5.931 Absätze und 25.526 Zeilen.

Während all der Zeit war meine geliebte Designerin Anke Meschede (element-79.de) längst damit beschäftigt, Zwischenseiten, Cover, Schriften, Skizzen, Pläne und vieles mehr zu entwerfen und fortwährend mit mir abzustimmen. Das Ergebnis ist ein absolutes Optimum, bei dem keine Kompromisse eingegangen wurden. Und das sieht man, finde ich.

Anfang Oktober 2024 ging das redigierte Manuskript in den Satz. Auch das ein Arbeitsschritt, der mehrere Monate dauerte, bis wir Anfang 2025 die Presse-&-Friends-Exemplare in Druck geben konnten. Am [tba] 2025 folgte der öffentliche Release von »The Village deep down«. Die üblichen Bezugsquellen sind unten aufgeführt, aber es wird überall als Print oder eBook erhältlich sein.

Worum es für mich in »The Village deep down« geht

Vordergründig scheint es um die unglückliche Liebesgeschichte von Trish und Isabella zu gehen, die aufgrund gesellschaftlicher Zwänge und Normen nicht zueinanderfinden dürfen, und um die Fragen, was genau sich denn nun wirklich jenseits des Tals befindet und ob Trish die Flucht gelingen wird.

Natürlich ist das der erzählerische Rahmen, also das, worum es in der Handlung geht, aber der eigentliche Kern ist für mich ein ganz anderer: Wie kommt es zu solchen Gesellschaften? – Ein beabsichtigter Plural, denn „etwas“ befindet sich natürlich jenseits der Felswände. Sind derartige Gemeinschaften tatsächlich realistisch? Und kann man das erneute Entstehen ähnlich totalitärer und menschenverachtender Gesellschaftsstrukturen durch Erkenntnis und Bewusstwerdung verhindern?

Worum es für mich in »The Village deep down« geht, ist deshalb die Frage, was sind gesellschaftsdefinierende Narrative? Wie entstehen sie und wie werden sie überwunden? Zugegeben, das klingt sehr abstrakt. Deshalb hier ein Ausschnitt aus einem längeren Gespräch mit den Helden dieser Geschichte: Tristan (aka Trish) und Isabella.

Johanna Wolfmann: Danke, dass ihr euch bereiterklärt habt, ein paar Worte zu sagen. Ich weiß, dass euch das nicht leichtfällt … Vielleicht möchtet ihr euch kurz vorstellen?

Isabella: Mein Name ist Isabella, Tochter von Heinrich und Gisela, Schwester von Carl – so hat man uns im Dorf förmlich angesprochen. Ich wurde zur Dienerin berufen als ich 17 Jahre alt war und im Jahr darauf wurde ich dem Ratsherrn Odin zugewiesen.

JW: Da das wahrscheinlich Menschen lesen, die eure Geschichte noch nicht kennen, kannst du kurz erklären, was „zugewiesen“ meint?

IA: Es meint, dass der Rat bestimmte, welchem Herrn ich zu dienen habe. In der Berufung wurde uns das Schicksal verkündet und im Jahr darauf erfolgte die Zuweisung.

JW: Berufung war also die Einteilung aller jungen Männer und Frauen im rechten Alter in Ehe oder Dienerschaft. Und die Verkündung im Jahr darauf bestimmte, wen ihr heiraten oder unter wessen Dach ihr arbeiten würdet … In der Geschichte wird sehr früh deutlich, dass du mit diesem Urteilsspruch nicht gerechnet hast.

IA: Ich war fest davon überzeugt gewesen, Trishs Frau zu werden. Stattdessen wurde ich zur Dienerin im Hause meiner besten Freundin.

JW: Aber du hast es hingenommen, mit allen dazugehörigen Verpflichtungen, wie deinem Herrn zu Willen zu sein, was er dir ausgiebig abverlangte … Wolltest du nie rebellieren?

IA: Rebellieren? Nein. Ich versuchte, mir das Leben zu nehmen, aber brachte es nicht über mich. Aber rebellieren? Wozu? Weder der Rat noch irgendwer sonst im Dorf hätte eine Ausnahme geduldet. Warum sollte man mit mir anders verfahren als mit irgendjemand anderen? So verlangten es Recht und Ordnung im Dorf. So war es schon immer gewesen. Ich war ja kein Einzelschicksal, sondern nur eine von vielen.

JW: Gab es für diese Ordnung denn eine Erklärung?

IA: Natürlich! Die Felder, die Gärten und der Wald endeten an steinernen Felswänden; das Tal war ein beschränkter Raum, der nur eine gewisse Anzahl von Seelen ernähren würde. Deshalb durften nur Ehefrauen die zugestandene Anzahl Kinder bekommen. Die Leibesfrucht der Dienerinnen wurde ausnahmslos erschlagen.

JW: „Seelen“, würde ich nachschicken, meint Dorfbewohner. Nicht mehr als 400 erwachsene Seelen war das oberste Gebot – Alte und Kinder waren ausgenommen … Deine Schilderung klingt – für mich, die nie im Tal gelebt hat – wie eine absolute Monstrosität.

Tristan: Das war es auch! Und genau deshalb wollte mir einfach nicht in den Kopf, wie ein jeder das hinnehmen konnte. Ich verstehe es bis heute nicht.

JW: Tristan, Sohn von Lars und Britta, Bruder von Siegfried. Der Rebell. Der Unruhestifter. Du wolltest aus dem Tal hinaus und bist bei allen vorangegangen Versuchen kläglich gescheitert.

TN: Und die Wahrheit, die dieses Scheitern erklärt, ist noch immer kaum zu ertragen. Aber wenn ich dieses Wissen ausklammere, dann konnte das Tal nicht im leeren Raum entstanden sein. Es musste etwas jenseits der Felswände geben und die Checker waren der lebende Beweis dafür. Sie kamen von jenseits des Tals und kehrten dorthin zurück. Also könnte doch auch ich es ihnen nachtun?! … Alle anderen fürchteten sich vor dem meuchelnden Mob jenseits der Felsen, weil man uns von klein auf die immer gleichen Geschichten von Krieg, Feuer und Seuchen erzählt hatte.

JW: Du warst – zumindest in diesem Ausschnitt der Dorfgeschichte – der Einzige, der den gesellschaftlichen Konsens nicht akzeptiert hat. Aber das Problem an sich, war doch einsichtig, oder?

TN: Das Tal hätte vielleicht mehr Menschen ernährt, aber nicht unbeschränkt, das ist richtig. Aber warum mussten die Regeln diese sein und keine anderen? Warum musste es den Rat geben? Fünf machthungrige Despoten, die nicht zum Wohle der Seelen handelten – und zwei dieser Männer völlig anderen Zwecken dienten, wie wir nun wissen. Warum haben das alle akzeptiert und hingenommen? […]

An dieser Stelle lasse ich den Ausschnitt enden, denn er trägt bereits alle relevanten Komponenten der Narrativ-Gestaltung in sich, um die es mir ging: Gesellschaftliche Narrative definieren unser Denken, unser Handeln und unser Wertesystem. Sie erhalten Gewicht durch ständige Wiederholung (Propaganda), allgemeine Akzeptanz (Gruppendruck) sowie Macht und Einfluss der Führungskaste (Rat, König, Parliament) der betreffenden Gemeinschaft.
Narrative formen unser Weltbild und damit auch unsere Wirklichkeitswahrnehmung, und dabei ist es völlig gleichgültig, ob sie rein fiktiv sind („Hexen lassen unsere Ernte verdorren.“) oder auf Fakten beruhen („Wenn du nachts ohne Speer aus der Höhle gehst, frisst dich der Säbelzahntiger.“) Es macht beispielsweise einen gehörigen Unterschied in unserer Weltsicht, ob der Himmel über uns ein schwarzblaues Tuch ist, in das die Götter Löcher stachen oder ob wir in einem expandierenden Universum leben, das aus dem Urknall entstand – by the way auch das nur eine Theorie, die populärwissenschaftlich meist wie eine alternativlose Tatsache dargestellt wird. Und es macht auch einen bedeutenden Unterschied, ob wir in einer Gesellschaft leben, in der Frauen kein Wahlrecht haben und bei Ehebruch zu Tode gesteinigt werden oder in einer vermeintlich emanzipierten Gesellschaft, in der Misogynie und Sexismus nur im Verborgenen wirken.

Um zu vermeiden, dass der Leser abwinkt und die Ereignisse in »The Village deep down« als belletristische Spielerei entlässt, habe ich dem Roman die »Einstimmung« vorangestellt, in welcher die Wirklichkeit der Fiktion mit der Wirklichkeit der Leserin abgeglichen wird. Das Kuriositätenkabinett stellt exemplarisch dar, welch unfassbare Gegebenheiten an bestimmten Orten nach wie vor herrschen oder bis eben noch geherrscht haben. Ich versichere Ihnen: Es gibt keine Grausamkeit, keine Monstrosität, keine Gewalttat, die nicht schon erdacht und durch gesellschaftliche Narrative legitimiert geworden ist. Man denke exemplarisch nur an historische Foltermethoden.

Worum es für mich in »The Village deep down« geht, ist deshalb erstens die Besinnung auf eine Minimalmoral (Unantastbarkeit von Leben, Freiheit, körperlicher Unversehrtheit und freier Rede) und zweitens die Erkenntnis, dass es keine Abwesenheit von Narrativen gibt, denn selbst die Minimalmoral ist ein Narrativ. Die Frage ist nur, welchen Maßstab legen wir an, um Narrative zu akzeptieren oder zu verwerfen. Und genau das wird in der nächsten Zukunft von elementarer Bedeutung sein. Aber auch die jüngste Vergangenheit hat erst wieder gezeigt, was falsche Narrative anrichten können. »Falsch« meint hier immer den Verstoß gegen die oben dargelegte Minimalmoral.

»The Village deep down« ist eine belletristische Brücke, die zurückführt in unsere Wirklichkeit. Eine Brücke, die zwei Flussufer verbindet, die ungleicher nicht sein könnten. Weit mehr dazu (und viel konkreter) im »Epilog« von »The Village deep down«. Der Roman ist als Brennglas des Tatsächlichen gedacht, durch das wir einen kritischen Fokus auf Gegenwart, Vergangenheit, Zukunft und uns selbst erhalten können: Wer wäre ich in der Welt des Dorfes? Trish oder Gunnar? Wer wäre ich jenseits der Felsen? Systemkonform oder systemkritisch? Und vor allem: Würde ich für Werte wie Leben, Freiheit und Gleichheit auch einstehen?

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ISBN 978-3-347-XXXXX-X │Paperback
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