Schneeflockenmethode

Schneeflockenmethode & Zoom-in

Hart-reglementierte Kurzgeschichten schätzte ich nicht besonders, weil die Ideenfindung im Grunde identisch ist mit der für einen Roman.

Kurzgeschichte und Roman unterscheiden sich dann natürlich doch voneinander. Die Idee für einen Roman gleicht der einer Besessenheit (bei mir zumindest), die über Monate, meist sogar Jahre anhält. Alles richtet sich an dieser Idee aus, zieht mehr und mehr Substanz an wie ein Magnet die Eisenspähe. Manchmal „gärt“ die Roman-Idee für Jahre im Oberstübchen, ehe das erste Wort auf eine weiße Seite geschrieben wird.

Im Moment schreibe ich an einer (Kurz-)Geschichte für die #Glutnacht-Anthologie von Benjamin Spang. Bei dieser Ausschreibung gibt es einen ziemlich großzügigen Freiraum von 4.000 bis 10.000 Wörtern, was echt ne Menge ist. Würde man die Obergrenze austesten, dann käme man auf plus/minus 40 Normseiten. Da kratzen wir mMn schon an „Erzählung“.

Während ich also so vor mich hin tippe und den großzügigen Freiraum genieße, schreibe ich hier und da ein Kommentar: „Ggfs. ausbauen“ – weil ich hab ja echt Platz. Beim dritten Kommentar dämmert mir, dass ich gerade etwas anwende, das man die „Schneeflockenmethode“ (OV: „Snowflake-method“) nennt. Damit ist zwar nicht der Umbau einer Kurzgeschichte in einen Roman gemeint, aber von einem Ideenkern ausgehend immer detailreicher zu werden. 

Man steigert beginnend bei einem Satz (Plotline/Ideenkern) stetig den Umfang. Baut immer weiter aus, geht immer tiefer rein, wie im Reel von vor ein paar Tagen: Kompromissloses Zoom-in. Mehr Details, Beschreibungen, Gedanken, Beziehungen, Umfeld und *schwupps* hat man nach X Monaten einen fertigen Roman – in der Theorie versteht sich.

Als praktisches Beispiel könnte ich jetzt mit meinem Anthologie-Beitrag dienen:

  • 1-Satz-Ideenkern: Mädchen wird einem Feuerdämon geopfert. (#Plotline)
  • 1-Absatz: Valeria ist eine von vier Mädchen, auf die der Schatten des Dämons fallen kann. Damit wählt er sein Opfer, das am Tag der Sommersonnenwende den Tod in den Flammen finden wird. Aber als das Feuer auflodert, geschieht etwas Unerwartetes: Valeria überlebt und findet sich im Reich des Dämons wieder. Ein gedankliches Ringen beginnt, das Freund und Feind in Frage stellt.
  • 1-Seite-Zusammenfassung
  • Aufbau der Drei-Akt-Struktur
  • 5-Seiten-Zusammenfassung
  • Detaillierter Szenenplan
  • Und dann schreibt man den 300-Seiten-Roman

Das wäre grob die „Schneeflockenmethode“.

Wenn mein #Schattenmädchen ein Roman werden sollte, dann würde ich auf einer weißen Seite neu anfangen, denn der Umbau von #Geschichte zu #Roman funktioniert für mich nicht, weil beide völlig verschiedene Tonlagen haben. Die Herangehensweise ist grundverschieden, nicht nur in Erzählerhaltung und Informationsvergabe.

Aber wer plotten möchte, kann die #Schneeflockenmethode sehr effizient nutzen, um eine gefundene Idee auszubauen. Mehr Infos unter diesen Links oder den Begriff in die Suchmaschine eurer Wahl eingeben:

#TalesFromTheToolbox #belletristik #autorenalltag #schreiben #autorenleben #Schreibhandwerk

»Deep Point of View« – schon mal gehört?

Damit ist der Versuch gemeint, so nah wie möglich bei oder besser noch in der Perspektivfigur zu bleiben.

Ein Beispiel:
G. sah aus dem Fenster. All diese Menschen sind ahnungslos. Vollkommen ahnungslos. Sie werden mit Sicherheit ein böses Erwachen erleben, dachte er und wandte sich Richtung Tür, weil er glaubte, Schritte gehört zu haben. Hoffentlich ist das endlich H., betete er.

Mit Deep-PoV-Verschiebung:
Jenseits der Fensterscheiben, tief unten, erledigten die Menschen die letzten Besorgungen. Ahnungslos. Völlig ahnungslos. Sie alle, das war eine Gewissheit, würden ein böses Erwachen erleben.
Geräusche hinter ihm. Waren das Schritte auf dem Flur? Kam sie endlich zurück?! „Ist da jemand? … H., bist du das?!“

Die Verschiebung in den Deep-PoV zeichnet sich durch erlebte Rede aus und durch die Reduzierung von Sprech- bzw. Handlungs-„tags“ wie: sagen, bitten, denken, sehen, blicken, fragen, denken, erinnern …
Aber auch die Figur beim Namen zu nennen, verschiebt den PoV von der Figur zum Erzähler.
Das ist natürlich nur ein Anriss des Tools und längst nicht vollständig.

#BesserSchreiben #Lektorat #DeepPoV #Werkzeugkiste #WritersToolbox #HandwerkSchreiben #WritersKnowHow #GeschichtenEntstehenAufLeererSeite

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